Von Claudia Keller | 13.05.2024
Im Pforzheimer Turmquartier stellte Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald, fest, dass viele Unternehmen der Region vor großen Herausforderungen stehen. Er hob hervor, dass es auch darum gehe, die Wettbewerbsfähigkeit für heute und für morgen im Blick zu haben. Das Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald, das unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald agiert, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert und begleitet die Unternehmen der Automotive-Branche in der Transformation.
Nicht aufzuhalten
„Transformation ist ein Naturgesetz“, sagte Professor Dr. Bernhard Kölmel und zitierte Charles Darwin, der einst feststellte, dass nicht der Stärkste oder die intelligenteste Spezies überlebt, sondern die, die am ehesten fähig ist, sich auf Veränderungen einzustellen. Wie sehr die Veränderungen bereits bei uns bereits angekommen sind, belegte Kölmel mit neu veröffentlichten Zahlen.
Demnach sei der Anteil der deutschen Automobilhersteller in China von knapp 27 Prozent auf 21,6 Prozent gesunken. „Wenn wir jetzt wissen, dass über 40 Prozent der Autos, die die deutschen Hersteller weltweit verkaufen, in China verkauft werden, ist die Botschaft eindeutig, dass die deutschen Automobilhersteller acht Prozent ihrer Gesamtproduktion verloren haben“, stellte er fest. Deswegen sei es wichtig, sich frühzeitig auf die Veränderungen einzustellen.
Mancher Neustart nötig
Kölmel hielt fest, dass es Wandel schon immer gegeben habe. In den letzten 50 Jahren sei es bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Unternehmen vor allem um effektivere Produktionsprozesse gegangen. „Was jetzt neu auf uns zukommt ist, dass wir nicht kleine Veränderungen haben, sondern dramatische Veränderungen“, betonte er. „Für manche Unternehmen wird es notwendig werden, den Reset-Knopf zu drücken und in manchen Bereichen neu anzufangen.“ Dabei gehe es um eine Änderung der Strategie, die Anpassung der Prozesse und eine Änderung der Kultur, wobei der Mensch immer mitgenommen werden müsse.
Wettbewerbsfähig bleiben
Kölmel hielt es für gefährlich, wenn Unternehmen im alltäglichen Geschäft keine Zeit haben, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. „Wir erleben in der Region gerade relativ viele Unternehmen, die in Kurzarbeit gehen, insolvent oder im Übernahmeprozess sind“, warnte er.
Als Beispiel für eine radikale Transformation erinnerte der Professor an die Schmuck- und Uhrenindustrie der Region Nordschwarzwald vor etwa 70 Jahren, die er als Basis der Präzisionstechnik bezeichnete. „Hier hat man weltweit in der ersten Liga mitgespielt, und urplötzlich war durch Digitaluhren und Massenproduktionen im globalen Umfeld die Wettbewerbsfähigkeit quasi über Nacht weg“, sagte er. „Man hat das lange ignoriert und sich dann angestrengt und neue Märkte identifiziert.“ Für den Transformationsprozess sei es wichtig, dass nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch die Beschäftigten aktiv daran mitarbeiten.
Die Welle reiten
„Ziel jeder Transformation ist es, einen fundamentalen Wandel zu machen und das möglichst vor den Wettbewerbern“, sagte Markus Wanner. Nach Pandemie, Ukrainekrieg und Energiekrise fühle es sich so an, als ob eine große Welle nach der anderen komme. „Die Idee wird sein, wie kann ich mich auf sowas einstellen und die Welle surfen“, sagte er.
Für eine Transformation sei es zunächst wichtig, das „Warum“ zu definieren und danach, wie die Transformation gestaltet werden soll. Bei einer Live-Onlineumfrage ließ er die Workshop-Teilnehmer Elemente der Transformation aufzählen. Genannt wurden unter anderem klare Ziele, Begeisterung, Vertrauen, Engagement, Innovationsfähigkeit und Visionen.
Kompetenzen erhalten
Professor Kölmel nahm Veränderungstreiber für die Transformation in den Blick. Dazu zählte er vor allem technologische Entwicklungen, Finanzkrisen, neue Arbeit, gesellschaftliche Veränderungen, Umweltveränderungen und Globalisierung.
Er hielt fest, dass aus seiner Sicht neue Märkte und alte Kompetenzen sinnvoller seien als neue Kernkompetenzen auf alten Märkten. Er begründete dies vor allem mit der Tatsache, dass es schwierig sei, technologisches Knowhow schnell aufzubauen. „Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen alte Kernkompetenzen erhalten und neue Märkte suchen“, sagte er.
Wanner stellte die sieben Prinzipien für erfolgreiche Transformationen vor. Dazu gehöre, sich zunächst die Treiber der Transformation bewusst zu machen, Erfahrungen, Kompetenzen und Potential der Mitarbeitenden zu integrieren, die Kompetenzen der Organisation zu erkennen, Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeitenden zu nutzen, die innere Haltung und die Rolle der Führungskräfte als Schlüssel zur Veränderung zu erkennen, maßgeschneiderte Entwicklungsmaßnahmen zu vereinbaren und die Begleitung und Sicherheit in der Transformation zu gewährleisten.
Die Workshop-Teilnehmer setzten sich in vier Gruppen mit den verschiedenen Aspekten der Transformation auseinander und tauschten dabei ihre Erfahrungen und Ideen aus.
Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald (TraFoNetz) unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) ist die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur kostenfreien Unterstützung der Automotive-Unternehmen und ihrer Beschäftigten im Nordschwarzwald. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ziel ist es, die Transformation im Automobilbereich erfolgreich zu meistern und damit den Standort Nordschwarzwald und die Arbeitsplätze zu sichern. TraFoNetz-Partner sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.
INFO-BROSCHÜRE TraFoNetz zum Download: HIER