Gigantische Transformation mit neuen Geschäftsfeldern und Qualifizierung bewältigen

Von Gerd Lache und Marcel Rath | 13.02.2024

„Die deutsche Automobilindustrie stellt sich wie Bertha Benz den Herausforderungen“, stellte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am Geburtsort Pforzheim der legendären Autopionierin fest, die ohne Wissen des Ehegatten und Motorwagen-Konstrukteurs Carl Benz im Jahr 1888 die erste Fernfahrt der Geschichte von Mannheim in die Goldstadt unternommen hatte.

 „Wir stecken in einer gigantischen Transformation“, machte Hildegard Müller deutlich. Bezogen auf die Zulieferer sagte sie: Wer bisher Komponenten für Verbrenner produziert habe, müsse sich mit der Frage beschäftigen, welche seiner Komponenten im Bereich der Elektromobilität noch zukunftsfähig seien.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller beim Jahresempfang von CDU und MIT im Autohaus S&G in Pforzheim. ©Foto:ThomasMeyer/PforzheimerZeitung

Weiterbildung von Beschäftigten unerlässlich

Angesichts von deutschlandweit 780.000 Beschäftigten in der Automobilindustrie sei es unverzichtbar, die Mitarbeitenden im Zuge des Wandels vom Verbrenner zu alternativen Technologien weiterzubilden und sie zu qualifizieren.

Insbesondere für Baden-Württemberg wies Müller auf eine hohe Zahl an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Cluster-Bereich Automotive hin. Alleine der Nordschwarzwald zählt rund 1300 Unternehmen mit insgesamt knapp 30.000 Beschäftigten, die mehr oder weniger vom Automobil abhängig sind, heißt es beim Transformationsnetzwerk TraFoNetz. Dieses Projekt unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald ist nach eigenen Angaben die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur Unterstützung der Zulieferer beim Wandel zu neuen Antriebsformen.

Zum Jahresempfang der CDU mit dem Thema Automotive kamen rund 200 Gäste, darunter auch Marcel Rath und Maximilian Maier vom Team des Transformationsnetzwerks TraFoNetz Nordschwarzwald. ©Foto:ThomasMeyer/PforzheimerZeitung

Derweil machte die VDA-Präsidentin deutlich, dass Technologieoffenheit ein Muss beim mobilen Weg in die Zukunft sei. Denn neben den geplanten 15 Millionen Elektroautos würden 2030 noch etwa 35 Millionen Verbrenner-Pkw unterwegs sein. „Das ist einer der Gründe, warum wir das Thema synthetische Kraftstoffe so ernst nehmen.“

Neue Märkte erschließen

Jenen Unternehmen, die den Weg vom Verbrenner in die alternativen Antriebstechnologien nicht gehen können oder wollen, rät Müller, sich mit neuen Geschäftsideen zu befassen. Schon jetzt hätten  viele der Zulieferer mehr Branchen im Kundenbestand als nur Automotive. Die gleiche Ansicht, sich eventuell neue Märkte zu erschließen, empfehlen auch Professor Dr. Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim, Vorsitzender des TraFoNetz-Fachbeirats, sowie Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes wvib und Mitglied im TraFoNetz-Beirat. Unter anderem sei die Medizintechnik ein mögliches Aktionsfeld abseits von Automotive.

TraFoNetz-Team im Gespräch mit VDA-Präsidentin

Für Marcel Rath und Maximilian Maier vom TraFoNetz-Team bot die Veranstaltung nach eigener Aussage eine einmalige Gelegenheit, um „tiefe Einblicke in die Zukunft der Mobilität und die laufende Transformation der Automobilindustrie zu gewinnen“. So habe Hildegard Müller ein Bild der Automobilindustrie präsentiert, „das nicht schwarz-weiß ist, sondern bunt: Der Verbrenner-Motor wird noch benötigt, aber die Zukunft gehört anderen Antriebsarten“.

Die VDA-Präsidentin habe kritisiert, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland nicht adäquat seien, was zu einem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führe. Als Beispiele habe sie hohe Energiepreise und Bürokratie genannt. Essentiell in dieser gigantischen Transformation seien die Umrüstung auf Elektromobilität sowie die Weiterbildung der Mitarbeitenden.

Die Pforzheimer CDU-Prominenz und ihre Gäste (von links): S&G-Vorstand Achim Quitz, Jochen Birkle (Vorsitzender MIT Enzkreis-Pforzheim), OB Peter Boch, Marianne Engeser, Hans-Ulrich Rülke (FDP), Gunther Krichbaum, Hildegard Müller, S&G Centerleiter Ralf Wurster, Günter Bächle und Oana Krichbaum. ©Foto:ThomasMeyer/PforzheimerZeitung

Das TraFoNetz-Team nutzte die Gelegenheit, sich direkt mit der VDA-Präsidentin auszutauschen. Während ihres Vortrags und im Einzelgespräch stellten Rath und Maier gezielte Fragen, die die spezifischen Herausforderungen und Chancen für KMUs im Kontext des Strukturwandels und der zukünftigen Mobilität beleuchteten.

Müller habe die Bedeutung von Innovation, Forschung und Digitalisierung betont sowie die Notwendigkeit, den Standort Deutschland attraktiver zu gestalten, um die Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern.

Zukunft im Nordschwarzwald gemeinsam meistern

Die Veranstaltung unterstrich laut Rath und Maier „die Bedeutung der Automobilindustrie und der Mobilität der Zukunft für die Region und die Rolle von TraFoNetz bei der Unterstützung der regionalen Wirtschaft und der Transformation der Automobilindustrie.“ Das TraFoNetz-Team lädt alle Unternehmen und Stakeholder ein, sich an den Bemühungen um eine nachhaltige und innovative Mobilitätszukunft zu beteiligen und die Angebote von TraFoNetz und Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald zu nutzen. „Die Zusammenarbeit mit allen Partnern, um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu meistern, bleibt ein zentrales Anliegen.“


Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald (TraFoNetz) unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) ist die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur kostenfreien Unterstützung der Automotive-Unternehmen und ihrer Beschäftigten im Nordschwarzwald. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ziel ist es, die Transformation im Automobilbereich erfolgreich zu meistern und damit den Standort Nordschwarzwald und die Arbeitsplätze zu sichern. TraFoNetz-Partner sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.

INFO-BROSCHÜRE TraFoNetz zum Download: HIER