Unternehmen und Beschäftigte müssen für die Transformation kräftig investieren

IHK-Präsidentin Claudia Gläser (Mitte) ist als Chefin eines Maschinenbauunternehmens in Horb auch im Automotive-Bereich tätig, hier beim Zulieferertag in Esslingen im Gespräch mit Svea Taube und Matthias Friedrich vom Team TraFoNetz Nordschwarzwald, an dem auch die IHK als Partnerin beteiligt ist. ©Foto:GerdLache

Von Gerd Lache | 19.11.2023

Die automobile Wertschöpfung verändert sich weltweit mit immer größerer Dynamik und Intensität, sagte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut bei der Veranstaltung im Esslinger Neckar-Forum, zu der sich rund 500 Teilnehmende angemeldet haben. „Und gerade wir in Baden Württemberg als traditionsreicher und hoch innovativer Automobil Standort sind von diesem Wandel ganz stark betroffen.“

Fordert eine regulatorische Atempause für den Mittelstand, der die Herausforderungen der automobilen Transformation mit Investionen in die Elektromobilität stemmen muss: Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). ©Foto:GerdLache

Noch im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Bereich der Fahrzeug- und Fahrzeugteilehersteller in Baden-Württemberg einen Gesamtumsatz von rund 136 Milliarden Euro. Das bleibt kein Selbstläufer, wie die Wirtschaftsministerin deutlich machte: Durch den Wegfall des Verbrennermotors – eine der einstigen Kernkompetenzen im Autoland Baden-Württemberg – könnte bis 2030 ein Beschäftigungsrückgang von 8 bis 14 Prozent eintreten, bis 2040 sogar ein Rückgang von mehr als 30 Prozent, zitierte Hoffmeister-Kraut die jüngste Strukturstudie von e-mobil BW, der Innovationsagentur des Landes Baden-Württemberg.

Demnach würden vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Komponentenherstellung die größten Beschäftigungsverluste eintreten. Bedroht seien insbesondere die Produktionsstandorte im Bereich Antriebsstrang, wo Rationalisierungen und Verlagerungen die Arbeitsplatzverluste noch verstärken können.

Nach ihrer aufrüttelnden Rede im Esslinger Neckarforum spricht Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit Teilnehmenden des Zulieferertags. ©Foto:GerdLache

Was also tun? „Die zentrale Voraussetzung, um die Beschäftigung am Standort zu halten, ist eine erfolgreiche Umstellung der baden württembergischen Automobilindustrie auf Fahrzeuge mit elektrifizierten Antriebsstrang“, ist das Ergebnis der Studie. Und dies wiederum erfordert von den Unternehmen hohe Investitionen. Insofern eine besondere Herausforderung, wie Hoffmeister-Kraut sagte, als sich „Deutschland in einer Rezession befindet, übrigens als einziges der größten Industrieländer“. Unternehmen würden unter einer hohen Kostenlast leiden, insbesondere im Hinblick auf Energie und einer überbordenden Bürokratie.

Die konjunkturelle Delle bedeute, „dass Fortschritte nicht in dem Umfang umgesetzt werden können, wie wir uns das, wie es viele Firmen eigentlich geplant haben und gerade auch der innovative Mittelstand als das Rückgrat unserer Wirtschaft“. Vor allem die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land bräuchten verbesserte Rahmenbedingungen für Investition und Innovation. „Wir müssen wieder bessere Voraussetzung für Produktivitätsfortschritte schaffen.“

Die Zukunft der Fortbewegung unter dem Stichwort Mobility as a Service war eines der Themen von Professorin Dr.-Ing. Inga Schaefer vom KIT. ©Foto:GerdLache

Hauptaugenmerk müsse auf ein bezahlbares Stromangebot und auf mehr Unabhängigkeit von Importen gelegt werden. Und, so Hoffmeister-Kraut: „Unser Mittelstand brauch eine regulatorische Atempause. Unsere Unternehmen stehen inzwischen unter einer kaum noch zumutbaren Regulierungslast.“ Hier müsse ein Umdenken in Brüssel, in Berlin „und auch bei uns im Land“ stattfinden.

Dennoch versprühte die Ministerin beim Zulieferertag Optimismus: „Ich bin davon überzeugt, dass unsere Zulieferer in vielen anderen Bereichen erfolgreich sein werden und neue Arbeitsplätze schaffen.“ Wichtige Handlungsfelder für eine positive Entwicklung sind der Strukturstudie zufolge:

  • Neuausrichtung des Automobil-Clusters auf Elektromobilität,
  • Sicherung des Standorts durch verfügbare Flächen
  • Verlässlichen Versorgung mit erneuerbaren Energien
  • Qualifizierung der Beschäftigten im Hinblick auf neue Technologien und Produkte

Außerdem: Mittelfristig würden insbesondere der Aufbau des Batterie-Recyclings und die Verfügbarkeit von Wasserstoff relevant.

Einer von mehreren Referenten des Zulieferertages in Esslingen war Thorge Erichsen von der Daimler-Benz Group AG. ©Foto:DorisLöffler

Fazit: „Die Unternehmen müssen ihre Wertschöpfung umbauen. Dafür brauchen sie politisch abgesicherte Standortbedingungen. Um die komplexe Transformation effektiv zu bewältigen, bedarf es koordinierter Anstrengungen von Unternehmen, Politik und Gesellschaft.“ Unterstützung dabei gibt es nicht nur von verschiedenen Projekten wie e-mobil, sondern auch von Gemeinschaftsinitiativen wie dem Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald (TraFoNetz) unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald, das als Kompetenzzentrum mit der Expertise von verschiedenen Partnern seinen Support den Unternehmen und Beschäftigten kostenfrei anbietet.


Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald (TraFoNetz) unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald ist die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur kostenfreien Unterstützung der Automotive-Unternehmen und ihrer Beschäftigten im Nordschwarzwald. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ziel ist es, die Transformation im Automobilbereich erfolgreich zu meistern und damit den Standort Nordschwarzwald und die Arbeitsplätze zu sichern. TraFoNetz-Partner sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen sowie die Senioren der Wirtschaft.