Von Gerd Lache | 04.10.2023
Der Vormarsch des mobilen Computers namens Automobil, die Digitalisierungswelle, neue Geschäftsmodelle, sich wandelnde Anforderungen an Mitarbeitende, geänderte Kundeninteressen sowie neue Produkte und Dienstleistungen, die Dekarbonisierung, Klimaneutralität und der Arbeitskräftemangel. Zu allem Übel auch noch wachsende Konkurrenz von Marktneulingen aus fernen Orten, ausgerechnet im angestammten Kompetenzgebiet des Autolandes Deutschland.
Diese unselige Mischung wirbelt die Wirtschaftswelt gehörig durcheinander. „In den vergangenen fünf Jahren sind strukturelle Veränderungen quasi im Minutentakt auf uns eingeprasselt“, sagt Professor Dr. Bernhard Kölmel bei der Zukunftskonferenz der IG Metall in Remchingen bei Pforzheim.
Deshalb kommt das Professoren-Angebot wie gerufen: „Ich bin jederzeit bereit, zu Ihnen ins Unternehmen zu kommen. Oder Sie kommen zu mir an die Hochschule. Wir sind an Ihrer Seite und wir unterstützen Sie.“ Bei der Zukunftskonferenz macht Kölmel den Betriebsräten und IG-Metall-Akteuren als Keynote-Speaker unmissverständlich klar, dass ein Weiter so zu nichts Gutem führt.
Der Grund: Vor allem die aktuell pulsierende Transformation in der Automobilindustrie setzt Unternehmen und ihre Produktionen unter Veränderungsdruck. Auch die Beschäftigten müssen sich teils massiv umorientieren. Mit den Elektroantrieben ändern sich Berufsbilder, mit der wachsenden Plattformökonomie verschärft sich der globale Wettbewerb, aufgrund des Kostendrucks sind Produktionsverlagerungen ins Ausland „in vollem Gang“. Kölmel: „In Saudi Arabien wird gerade eine Fabrik gebaut, in der eine Million Autos vom Band laufen sollen. Genau solche Autos wurden bisher in Stuttgart gebaut.“
Keine neue Erkenntnis, aber so aktuell wie je: „Die Veränderungsgeschwindigkeit innen muss immer größer sein als die Veränderungsgeschwindigkeit draußen.“ Soll heißen: Unternehmensführungen müssen Veränderungen wahrnehmen, diese einordnen und entsprechend rasch darauf reagieren. Nichts zu tun bedeute sowohl für Unternehmen wie auch für Beschäftigte, dass es „irgendwann einfach vorbei ist“. Ein beredtes Beispiel seien die einstigen Branchengrößen Kodak und Nokia.
Wenn Kölmel vor den Arbeitnehmervertretern von „wir“ spricht, dann bezieht er explizit das „Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald“ (TraFoNet) ein. Dessen Kompetenz-Team biete umfangreichen kostenfreien Support, um die Betriebe im Nordschwarzwald auf Zukunft zu trimmen. „Wir müssen jetzt Fähigkeiten aufbauen, die nötig sind, um die Zukunft positiv zu gestalten“, sagt der Professor der Hochschule Pforzheim.
SIEHE AUCH BERICHT ZUM BEITRAG VON ARBEITSAGENTUR-CHEFIN MARTINA LEHMANN BEIM ZUKUNFTSKONGRESS DER IG METALL: KLICK HIER
TraFoNetz gilt als bisher größte Gemeinschaftsinitiative im Nordschwarzwald. Ihr Ziel: Die zahlreichen kleinen und mittleren Automotive-Unternehmen (KMU) in der Region bei der anspruchsvollen Transformation vom Verbrenner zu alternativen Antriebsformen zu unterstützen. Zu den TraFoNetz-Akteuren gehören neben der Hochschule Pforzheim die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die AgenturQ (eine gemeinschaftliche Einrichtung von IG Metall und Südwestmetall) sowie die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, außerdem die Senioren der Wirtschaft. Hinzu kommt ein hochkarätig besetzter 28-köpfiger Transformationsbeirat, den Kölmel als Vorsitzender leitet. Die Federführung des Projekts liegt bei der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald. Die finanzielle Förderung leistet das Bundeswirtschaftsministerium.
Wie die Chefin der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, Martina Lehmann, in ihrem Grußwort bei der Veranstaltung sagte, liege die Lösung für die Beschäftigten in der unbedingten Qualifizierung (siehe dazu auch separaten Bericht). Weiterbildung sei angesichts der Transformation der Schlüssel schlechthin, um in Zukunft noch einen Arbeitsplatz mit auskömmlichem Einkommen zu haben.
Während die Arbeitsagentur-Chefin mit ihrer Rede versuchte, den Beschäftigten die Angst vor dem Lernen zu nehmen, beruhigte Kölmel beim Thema neues Wissen über Technologien aneignen : „Sie müssen nicht ganz tief einsteigen, nur so weit, dass Sie ein Verständnis dafür entwickeln können, wie man diese Technologien bedient.“ Die Art und Weise, wie wir in naher Zukunft arbeiten, würde sich dramatisch verändern. Was der Standort D indes nicht brauche, seien einfache Jobs. „Da sind unsere globalen Wettbewerber billiger und schneller.“
In fünf Berufsfeldern werden Jobs durch die Transformation in der Automobilindustrie vom Arbeitsmarkt verschwinden. Das stellt die Bertelsmann-Stiftung im Ergebnisbericht zu einer umfassenden Studie fest. Um welche Berufe handelt es sich? Und wie ist darauf zu reagieren?
Die Antwort darauf gibt eine Veranstaltung von TraFoNetz am 18. Oktober 2023 im Pforzheimer TurmQuartier der Sparkasse Pforzheim Calw. Von 13 bis 17 Uhr werden sogenannte Übergänge in neue Berufe vorgestellt. Außerdem gibt es Detail-Infos zur Bertelsmann-Studie.
Und wie die Zukunft erfolgreich gestaltet werden kann, erfahren die Teilnehmenden von Eduard Dokter, Konzernbetriebsratsvorsitzender bei Mapal WWS Pforzheim, sowie Radenko Lazić, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Mahle Behr.
Online-Anmeldung über QR-Code im Bild oder über nachfolgenden Link:
Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald (TraFoNetz) ist die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur kostenfreien Unterstützung der Automotive-Unternehmen und ihrer Beschäftigten im Nordschwarzwald.