Auto-Region Nordschwarzwald: Im Schulterschluss zur Transformation

Von Gerd Lache | 18.05.2023

In der besucherstarken Auftaktveranstaltung bei der Firma Witzenmann in Pforzheim machten die TraFoNetz-Akteure vor rund 150 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung deutlich, dass die Automotive-Unternehmen und ihre Beschäftigten im Nordschwarzwald schnellstens auf die Transformation vom Verbrenner-Motor zu alternativen Antrieben reagieren müssten. Andernfalls könnten sie im schlimmsten Fall vom Markt gefegt werden.

Gründungsversammlung des Transformationsbeirats Nordschwarzwald vor der Kick-off-Veranstaltung des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald (TraFoNetz). Dem Gremium gehören insgesamt 28 Mitglieder an. ©Foto:GerdLache

Porsche-Chef Oliver Blume erklärte in der jüngsten Jahrespressekonferenz, den Anteil an E-Autos bis zum Jahr 2030 auf mehr als 80 Prozent steigern zu wollen. Und Mercedes-Boss Ola Källenius rückt trotzt einiger Hindernisse beim Hochlauf der Elektromobilität nicht davon ab, dass zum Ende dieses Jahrzehnts  unter den Motorhauben der Sternkarossen zu 100 Prozent Elektromotoren verbaut sein sollen.

Professor Bernhard Kölmel (vorne, Mitte) ist für die Hochschule Pforzheim Konsortialpartner und Vorsitzender des Transformationsbeirats von TraFoNetz, rechts seine Kollegin Professorin Rebecca Bulander. ©Foto:GerdLache

Beide Unternehmen haben bisher veritable Aufträge an Zulieferer im Nordschwarzwald vergeben. Das habe keinen Bestand mehr, warnte Professor Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim. Die Konzerne würden sich beim Einkauf von Technik und Software für ihre Elektrofahrzeuge verstärkt auf dem Weltmarkt bedienen. Dies sei eine weitere Gefahr neben der Transformation.

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SWR Aktuell Baden-Württemberg | Kick-off TraFoNetz Nordschwarzwald ©SWR

In diesem elektrifizierten und von Umbrüchen gekennzeichneten Umfeld hätten insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Komponenten-Hersteller, die auf den traditionellen Antriebsstrang fokussiert seien – ob Benziner oder Diesel-Aggregat – mittelfristig geringe Chancen zu überleben, so Kölmel. Alternativ müssten die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Produktionen ändern, sich neue Märkte suchen oder ihr Glück als Nischenanbieter finden. Bei den Lösungen wolle TraFoNetz aktiv unterstützen.

Moderierte engagiert den TraFoNetz Workshop bei der Kick-off-Veranstaltung: Martina Lehmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim. (c)Foto:GerdLache

Der gleiche Veränderungsdruck gelte für die Mitarbeitenden. So manche Fachausbildung sei im Zuge des Wandels nicht mehr gefragt. Weiterbildung, Umschulung und Qualifizierung seien die Gebote der Stunde, machte Martina Lehmann, Chefin der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim deutlich. Die Arbeitsagentur sei entsprechend darauf vorbereitet, die Beschäftigten zukunftssicher weiterzubilden. „Für eine erfolgreiche Transformation der Automobil- und Zulieferindustrie braucht es zusätzliche Anstrengungen in der beruflichen Weiterbildung, bekräftigte auch Dr. Stefan Baron, Geschäftsführer der AgenturQ, eine gemeinschaftliche Einrichtung von IG Metall und Südwestmetall.

Rund 150 Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, Verbänden, Institutionen und Regionalpolitik nahmen an der Startversammlung des TraFoNetz Nordschwarzwald teil, die von Landrat und WFG-Aufsichtsratsvorsitzendem Helmut Riegger eröffnet wurde. ©Foto:GerdLache

Nach einer Erhebung innerhalb des VW-Konzerns sei  klar, dass 35 bis 62 Prozent der Beschäftigten im Laufe der nächsten Jahre einen neuen Job brauchen, „quasi nicht mehr in der Tätigkeit beschäftigt sein können, in der sie heute beschäftigt sind“, erklärte der Betriebsratsvorsitzende der VW-Tochter Porsche AG, Carsten Schumacher (Weissach), als Referent des Kick-off. Auch für den Sportwagenhersteller gelte, dass bis 2030 „hundert Prozent unserer Mitarbeiter nicht einfach so weitermachen können, wie heute.“

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VIDEO: Kick-off-Event des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald. ©CampaignersNetwork

Dass die  Region Nordschwarzwald eine von insgesamt 40 betroffenen Automotive-Hotspots in Deutschland ist, zeigt eine Studie von IW-Consult. Einer Erhebung zufolge fallen rund 1.500 Unternehmen mit mehr als 30.000 Beschäftigten im Nordschwarzwald in die Kategorie der Transformations-Branche.

Die Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH (WFG) mit Geschäftsführer Jochen Protzer hat durch den bewilligten Förderantrag beim Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Berlin mit TraFoNetz ihr bisher größtes Projekt mit einem Volumen von 6,77 Millionen Euro in die Region geholt, um den Wandel der Unternehmen zu begleiten. Die WFG fungiert als Konsortialführerin. Neben der Hochschule Pforzheim stehen ihr als weitere Konsortialpartner die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim und die AgenturQ zur Seite.

Verantworten das Projekt TraFoNetz (von rechts) WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer und Projektleiterin Katharina Bilaine, daneben die TraFoNetz-Teammitglieder Marcel Rath (Forschungsgrundlagen) und Matthias Friedrich (Forschungsgrundlagen). (c)Foto:GerdLache

Sogenannte assoziierte Partner sind die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, 1886 Ventures, e-mobil BW, IG Metall und Südwestmetall. Hinzu kommt ein 28-köpfiger Transformationsbeirat mit Vertreterinnen und Vertretern von namhaften Unternehmen, Verbänden und Institutionen sowie Kommunalpolitik. Insgesamt also ein Konglomerat an ausgewiesener Expertise für die Unterstützung von Unternehmen und Beschäftigten. Vorsitzender des Gremiums ist Professor Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim.

Demonstrierten mit ihrer Doppel-Präsenz beim TraFoNetz-Kick-off die hohe Bedeutung des Projekts: Oberbürgermeister Jürgen Großmann (links), Mitglied des Transformationsbeirats, und Bürgermeister Hagen Breitling, beide sind Vertreter des automotive-starken Standorts Nagold. (c)Foto:GerdLache

Gemeinsames Ziel der TraFoNetz-Akteure sei es, sowohl die Unternehmen wie auch die Beschäftigten auf die Anforderungen der neuen automobilen Welt zu trimmen. Dazu haben sie ein umfangreiches Maßnahme-Paket geknüpft. Zu den Angeboten gehören unter anderem: Strategieberatung, Fördermittelberatung und Antragsunterstützung, Trainings für Führungskräfte, Qualifizierungsangebote für Beschäftigte, Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung, Webinare, Vernetzungen und vieles mehr.

In einer Roadshow in den kommenden Monaten wird das TraFoNetz-Projekt auch im automotive-starken Landkreis Calw (beispielsweise Nagold und Altensteig) sowie im Landkreis Freudenstadt (unter anderem Horb) vorgestellt.

Sieht einen hohen Bedarf für das TraFoNetz in der Autozulieferer-Region Nordschwarzwald: Landrat und WFG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Riegger. (c)Foto:GerdLache

WFG-Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat Helmut Riegger  sieht  das TraFoNetz-Projekt  „angesichts der vielen Firmen im Nordschwarzwald, die von der Fahrzeugindustrie abhängig sind,  genau richtig aufgesetzt“.  Xu Zhu, Referent im Referat Digitalisierung, Industrie 4.0, im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als Fördergeldgeber, spricht von einem „längerfristigen Strukturwandel. Außerdem kann und soll der gesamte Verkehrssektor einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten“.

Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, hat sich für das TraFoNetz Nordschwarzwald in Berlin stark gemacht. (c)Foto:GerdLache

Sie sei froh, „dass die Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald den Weitblick hatte, alle Akteure – von den Unternehmen und den Gewerkschaften über die Arbeitsagentur bis hin zur Hochschule –  zusammen zu bringen, um unsere Energie zu bündeln und nach vorne zu richten“, erklärte Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie habe laut Projektleiterin Katharina Bilaine die WFG auf das Förderprojekt aufmerksam gemacht und sich in Berlin für den Nordschwarzwald-Zuschlag eingesetzt.

Martin Thum, Ausbildungsleiter Deutschland, bei Mahle. (c)Foto:GerdLache

Für die Firma Mahle erklärte Martin Thum, Ausbildungsleiter Deutschland, dass das Unternehmen „im Rahmen der Transformation auf die weitere Optimierung klassischer Verbrenner-Motoren setzt“, aber auch auf ein stark wachsendes Feld der Elektromobilität und auf die „großen Bedeutung des Thermomanagements“.

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SWR4 Hörfunk Reportage Witzenmann Pforzheim. Von Peter Lauber. ©SWR

Philip Paschen, stellvertretender  Vorsitzender Geschäftsführung der Firma Witzenmann und Hausherr des Kick-off-Events sowie außerdem Mitglied des Transformationsbeirats,  wies darauf hin, dass das 170 Jahre alte Pforzheimer Familienunternehmen bereits zweimal transformierte – vom Schmuckunternehmen in die Industrie, von der Industrie zum Automobilzulieferer. „Und jetzt geht es richtig rund. Jetzt müssen wir in der Dekarbonisierung der Wirtschaft ankommen.“

Im Schulterschluss zur Unterstützung der Automobilzulieferer der Region Nordschwarzwald (von links): IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub, Annette Hanfstein (Geschäftsführerin Operativ der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim), Martina Lehmann (Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur) und Dr. Stefan Baron (Geschäftsführer der AgenturQ, einer gemeinschaftlichen Einrichtung von IG Metall und Südwestmetall). ©Foto:GerdLache
Ulrich Jautz, Rektor der Hochschule Pforzheim (vorne links) sowie Brigitte Dorwarth-Walter, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Karlsruhe, und die IT-Unternehmerin Andrea Grosse von Just4People. (c)Foto:GerdLache
Stellvertretend für den Fördergeldgeber Bundeswirtschaftsministerium kam Xu Zhu, Referent im Referat Digitalisierung, Industrie 4.0, zum Kick-off nach Pforzheim. Rechts: Martin Thum, Ausbildungsleiter Deutschland bei Mahle. ©Foto:GerdLache
Carsten Schumacher, Betriebsratsvorsitzender der Porsche AG mit Dienstsitz in Weissach, ist Alumni der Hochschule Pforzheim. (c)Foto:GerdLache
Zum Kick-off-Programm von TraFoNetz gehörte eine Führung in der Verbrenner-Komponenten-Produktion von Witzenmann. (c)Foto:GerdLache
Sind optimistisch, dass die Transformation im Automobilbereich für die Region Nordschwarzwald gelingen wird (von links): Philip Paschen (stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung von Witzenmann und TraFoNetz-Beirat) sowie Thomas Römer und Thomas Mayer von den Senioren der Wirtschaft. (c)Foto:GerdLache
Gründungsversammlung des TraFoNetz-Transformationsbeirats in Begleitung des SWR-Fernseh-Teams, unter anderem mit (von rechts): Oliver Reitz (Direktor Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim), Professor Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim (Beiratsvorsitzender), Beiratsmitglied Philip Paschen vom Witzenmann-Management sowie Landrat Helmut Riegger als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG). (c)Foto:GerdLache
Referenten des TraFoNetz-Kick-off (von rechts) Carsten Schumacher (Porsche AG), Martin Thum (Mahle) und Xu Zhu für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. (c)Foto:GerdLache
Gruppenbild mit den Präsenz-Mitgliedern des Transformationsbeirats, insgesamt gehören 28 Personen dem Gremium an. (c)Foto:GerdLache
Zwei Vertreterinnen des derzeit 12-köpfigen TraFoNetz-Teams am Info-Stand beim Kick-off: Lidia Niestoruk (links, Fachkräftesicherung und -gewinnung) und Rebecca Bertsche (Projektassistenz). (c)Foto:GerdLache
TraFoNetz-Projektleiterin Katharina Bilaine moderierte souverän die gut besuchte Auftaktveranstaltung des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald. (c)Foto:GerdLache
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KI-generiertes Grußwort der 1849 in Pforzheim geborenen Automobil-Pionierin Bertha Benz zum Kick-off des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald. Bildmaterial Mercedes-Benz/Bearbeitung GerdLache