TraFoNetz Nordschwarzwald: Halbzeitbilanz einer wegweisenden Initiative für die Automobilzulieferer

Offiziell im November 2022 an den Start gegangen hat das TrafoNetz kurz danach seine operative Tätigkeit aufgenommen. Das Projekt agiert unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH (WFG) als Konsortialführerin. Mit dabei sind sogenannte Konsortialpartner, unter anderem die Hochschule Pforzheim, die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall sowie die IHK Nordschwarzwald und die Handwerkskammer Karlsruhe. Gefördert wird TraFoNetz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Im Juni 2025 endet die Förderung. Zeit für einen ersten Rückblick.

Die rasante Transformation der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes stellt Unternehmen und Beschäftigte vor große Herausforderungen. In dieser Situation bietet die Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald mit ihrem Kompetenz-Team des Transformationsnetzwerks Orientierung, Unterstützung und Handlungsempfehlung. Ich ermuntere Unternehmen in der Region, die kostenfreien TraFoNetz-Leistungen abzurufen

Helmut Riegger, Landrat des Landkreises Calw und WFG-Aufsichtsratsvorsitzender

Partnerschaft für den Wandel

Unternehmen vernetzen, Beschäftigte weiterbilden, bei Strategieentwicklungen unterstützen, neue Geschäftsmodelle empfehlen, Fördermöglichkeiten aufzeigen, Zukunftskompetenzen beschreiben, Hilfe bei der Beschäftigten-Gewinnung und –Bindung sowie Workshops und Impuls-Events veranstalten. Das sind nur einige der Maßnahmen aus der Aktivitäten-Vielfalt, die das 13-köpfige Team des Transformationsnetzwerks TraFoNetz Nordschwarzwald mit aktiver Unterstützung der  Konsortialpartner bis zur Mitte der Projektlaufzeit erfolgreich durchgeführt hat – durchweg kostenfrei für die Firmen und ihre Beschäftigten.
Für WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer steht Transformation,  unabhängig von den Branchen, für „die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“. Eine der TraFoNetz-Kernaufgaben sei ihm ein besonderes Anliegen: Der direkte Kontakt und der fachliche Austausch mit den Unternehmen der Region.

211 Unternehmenskontakte

Konkrete Zahlen dazu legt Protzer mit der Halbzeitbilanz vor. Demnach verbucht das TraFoNetz-Team von 211 Unternehmenskontakten 69 Firmenbesuche, bei denen die individuellen Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze besprochen worden sind. Bei gut der Hälfte der Besuchten sind weitere direkte Gespräche und Strategiesitzungen erfolgt.
Namen seiner „Klienten“, darunter überwiegend kleine und mittlere Unternehmen (KMU), nennt TraFoNetz nicht. „Wir haben den Firmen absolute Diskretion zugesagt“, begründet Professor Bernhard Kölmel vom Konsortialpartner Hochschule Pforzheim den Grund für die Zurückhaltung. Soviel sei genannt: Es gebe fruchtbare Kontakte zu Witzenmann in Pforzheim und Boysen in Nagold/Altensteig.

Neue Geschäftsmodelle

Nach Ansicht des KI- und Automotive-Experten Kölmel werden die deutschen Automobilhersteller „in absehbarer Zeit mindestens 30 Prozent Marktanteile verlieren und zusätzlich größere Teile der Wertschöpfung aus Deutschland verlagern.“ In der Folge würde sich dies auch negativ auf die Auftragslage der regionalen Zulieferer niederschlagen.
Kölmel mahnt deshalb in zahlreichen Veranstaltungen und Veröffentlichungen, dass die Firmen im Nordschwarzwald ihre Aktivitäten neben dem traditionellen Verbrennermotor-Geschäft auch auf andere Branchen und Geschäftsmodelle ausweiten müssten. Auf welche genau? Das sei von der individuellen Geschäftstätigkeit abhängig. Neben der Medizintechnik hätten einige Zuliefer-Unternehmen die Verteidigungsindustrie für sich entdeckt.

Große Aufgabe Weiterbildung

TraFoNetz-Projektleiterin Katharina Bilaine sieht im Thema Weiterbildung eine der weiteren großen Aufgaben des Projekts. Unterstützung bekommt sie dabei von einer Konsortialpartnerin: „Die Herausforderungen der Betriebe der Automobilzulieferindustrie und des Kfz -Gewerbes sind nur mit top ausgebildeten und zu lebenslangem Lernen bereiten Fachkräften und Spezialisten zu bewältigen Deswegen fokussieren wir uns im ersten Schritt auf die Nachwuchsgewinnung“, sagt Martina Lehmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, als aktives Mitglied im TraFoNetz.

Wohin geht die Reise?

Da die demographische Entwicklung im Nordschwarzwald bis zum Jahr 2040 zu einem Rückgang des Erwerbspotenzials um rund 24.000 Menschen führen werde und zudem einhergehe mit einem gravierenden und kontinuierlichen Wandel der Berufsinhalte und Berufsbilder, „ist die gleichzeitige Investition in die Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung von Erwachsenen unumgänglich“, macht die Arbeitsagentur-Chefin deutlich.
TraFoNetz-Partner Dr. Stefan Baron, Geschäftsführer der AgenturQ – ein Gemeinschaftsprojekt von Südwestmetall und IG Metall –, stellt bei seinen Unternehmensbesuchen große Unsicherheit darüber fest, „wohin die Reise gehen wird“. Welche neuen Produkte seien gefragt, wo eröffnen sich neue Märkte und Anwendungen und nicht zuletzt welche Kompetenzen müssten die Beschäftigten für eine erfolgreiche Zukunft haben?
„Wir unterstützen die Unternehmen und bieten ihnen Leitplanken“, sagt Baron. Der von TraFoNetz in Auftrag gegebene Study Report beispielsweise beschreibe Zukunftskompetenzen, „die bis 2030 an Relevanz gewinnen werden.“ Der im Juli 2024 vorgestellte Study Report solle Blaupause und Denkanstoß für eigene Überlegungen in den Firmen sein.

Voneinander lernen

Mit der TraFoNetz-Initiative „Communities of Practice“ sind Baron zufolge regelmäßige Treffen von Unternehmensvertretern verbunden, in denen „voneinander sowie von Expertinnen und Experten gelernt werden soll“. Seit Sommer vergangenen Jahres sind laut WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer 30 öffentliche TraFoNetz-Veranstaltungen durchgeführt worden. Damit habe man mehr als 2000 Personen die Inhalte des Förderprojekts und seine Ziele vermitteln können. Zudem seien daraus relevante Kontakte für weitere individuelle Gespräche entstanden.

pm/gl