Von Gerd Lache | 13.03.2025
Eine hochrangige Delegation aus dem Nordschwarzwald hat am Donnerstag, 13.03.2025, im Haus des Landtags einen dringenden Aufruf an die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) übergeben. Rund 100 Unterzeichner aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft der Region Nordschwarzwald fordern konkrete Maßnahmen zur Stärkung des regionalen Mittelstands im Zuge der tiefgreifenden Transformation der Automobilindustrie.
Die Delegation mit Landrat Helmut Riegger (Landkreis Calw, Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschafts-förderung Nordschwarzwald, WFG), Professor Dr. Bernhard Kölmel (Hochschule Pforzheim, Vorsitzender des Transformationsbeirats im TraFoNetz Nordschwarzwald) und WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer sowie Philip Paschen (COO/CDO Witzenmann) als Vertreter der regionalen Unternehmen verdeutlichte bei der Übergabe des Aufrufs an die Ministerin die weitreichenden wirtschaftlichen Herausforderungen. So sei der Nordschwarzwald als traditionsreiche Wirtschaftsregion stark von der Automobilzulieferindustrie geprägt. Doch der Wandel zu Elektromobilität, Digitalisierung und neuen Technologien stelle insbesondere mittelständische Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen.
Der vollständige Text des Aufrufs mit der Liste der Unterzeichner steht als PDF zum Download bereit: Aufruf
Angesichts der jüngst bekannt gewordenen Insolvenzen, Massenentlassungen und Standort-verlagerungen in der Region bekräftigte die Delegation, dass unter anderem durch globale Megatrends und Verlagerungen die Existenz zahlreicher mittelständischer Unternehmen, die das Rückgrat der regionalen Wirtschaft bildeten, erheblich gefährdet sei.
„Wir brauchen jetzt sowohl die Unterstützung der Landesregierung, wie auch der Politik auf Bundes- und EU-Ebene, um diese Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft aktiv zu begleiten“, sagte Landrat Helmut Riegger. Professor Kölmel ergänzte: „Viele Betriebe kämpfen mit Umsatzeinbrüchen, Fachkräftemangel und wachsender internationaler Konkurrenz. Ohne gezielte politische Unterstützung droht in der Region ein Strukturbruch mit erheblichen Folgen für Arbeitsplätze und Wertschöpfung.“
Nicole Hoffmeister-Kraut nahm sich viel Zeit für den Gedankenaustausch mit den Mitgliedern der Delegation. „Sie bezeichnete es als „richtig und wichtig, dass sich die Region hier in einem Transformationsnetzwerk so stark vernetzt und zusammenschließt.“ Politik, die Wissenschaft, aber auch die Wirtschaft müssten alles dafür tun, diesen Strukturwandel entsprechend zu begleiten. Wenngleich die Wirtschaftsministerin Professor Bernhard Kölmel als dem Aufuruf-Initiator und Vorsitzenden des Transformationsnetzwerks zustimmte, wonach die Zulieferer ihre Aktivitäten auch abseits von Automotive auf neue Märkte wie Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung fokussieren müssten, machte sie deutlich: „Wir wollen Automobilland bleiben. Und wir wollen Industrieland in Baden-Württemberg bleiben.“
Unterdessen wies sie darauf hin, dass bereits seit 2017 verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen bei der Transformation auf den Weg gebracht worden seien. Bei Betrachtung der übergeordneten Rahmenbedingungen sieht die Wirtschaftsministerin „kein Erkenntnisproblem, sondern es muss jetzt an die Umsetzung gehen“. Dabei setzt sie auf den Schulterschluss von Bund, Land und Netzwerken wie im Nordschwarzwald.
Philip Paschen von der Firma Witzenmann sieht hingegen bereits „das Endspiel in der Autobranche“, das voll im Gang sei. Die deutschen Autobauer bezeichnete er als „die Gejagten, und – leider – nicht die Jäger“. Auch dem Witzenmann-Manager zufolge bedeute dies für die Zulieferer, dass sie neue Märkte jenseits des Verbrenners erschließen müssten. „Bei dieser überlebenswichtigen Transformation kann Politik durch Entwicklungsförderung helfen“, sagte er.
Der Aufruf aus dem Nordschwarzwald formuliert konkrete Forderungen an die Politik, um den Mittelstand gezielt in der Transformation zu begleiten. Dazu gehören:
- Gezielte Fördermaßnahmen für Investitionen in neue Technologien und Geschäftsfelder
- Bürokratieabbau zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
- Stärkere Unterstützung bei der Markterschließung jenseits der Automobilbranche
- Förderung von Forschung und Entwicklung durch engere Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft
- Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und Verbesserung der Standortattraktivität
„Wir brauchen ein klares politisches Bekenntnis zum Mittelstand. Unsere Unternehmen sind bereit für den Wandel – aber sie brauchen Planungssicherheit, Unterstützung bei Investitionen und weniger bürokratische Hürden“, erklärte Jochen Protzer. Die Liste der Unterzeichner repräsentiert Unternehmen, Personal- und Betriebsräte, Amts- und Mandatsträger sowie Institutionen und Organisationen. Darin sieht der WFG-Geschäftsführer „eine große Geschlossenheit in der Region – quer durch Branchen und Institutionen hinweg.“ Er appellierte an die Politik, diese Chance zu nutzen und die regionale Wirtschaft bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen zu unterstützen. Protzer: „Der Nordschwarzwald ist eine starke Region mit innovativen Unternehmen und engagierten Menschen. Mit der Unterstützung der Politik können wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.“
Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald
TraFoNetz unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH (WFG) ist ein Netzwerk für Transformation und Innovation, das Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringt. Ziel ist es, die Region Nordschwarzwald zu einem führenden Standort für innovative Unternehmen und zukunftsfähige Technologien zu machen.
Partner des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.