Von Claudia Keller | 18.05.2024
Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald hat in einer Veranstaltung in Freudenstadt rund um das Thema Weiterbildung informiert. Vertreter von Unternehmen haben die Möglichkeit genutzt, sich mit konkreten Fragen an die Beratungsstellen zu wenden. Für die Veranstaltung hat das TraFoNetz die passenden Fachleute mit Unternehmensvertretern zusammengebracht.
Annette Hanfstein, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim begrüßte die Teilnehmer. „Uns ist es heute wichtig, mit Ihnen in den Austausch zu kommen, denn uns interessiert, was sie konkret umtreibt“ sagte sie. „Mein größter Wunsch wäre, dass der Dialog nach dieser Veranstaltung nicht abbricht, sondern dass wir Folgekontakte vereinbaren, bei denen es ganz konkret darum geht, Weiterbildung oder Qualifizierung ihrer Beschäftigten in ihrem Unternehmen umzusetzen.“
Auch Dr. Stefan Baron von der AgenturQ, der Weiterbildungseinrichtung von IG Metall und Südwestmetall, begrüßte die Zuhörer. „Wir bringen uns ein, weil es Transformationsthemen rund um das Automobil gibt“, sagte er. „Die KI zeigt, dass es auch Tätigkeiten im Büro betrifft. Manche Tätigkeiten entfallen und neue Tätigkeiten kommen hinzu. Und das trifft das Thema berufliche Weiterbildung.“
Fakten und Prognosen
Sylvia Stieler, Projektleiterin der IMU Institut GmbH führte in das Thema ein. In ihrem Bericht zur „Transformation der Automobilindustrie“ nahm sie die besonderen Herausforderungen und Qualifizierungsbedarfe in den Blick. „Wir schauen seit über 30 Jahren vor allem auf die Veränderungen in der Automobilindustrie in Baden-Württemberg“, berichtete sie. „Qualifizierung und Weiterbildung bleibt immer ein dringliches Thema und meinem Gefühl nach wird es eher noch wichtiger, als in den letzten Jahren.“
Sylvia Stieler hat selbst an der aktuellen Strukturstudie der Landesagentur e-mobil Baden-Württemberg mitgearbeitet, auf die sie sich in ihrem Vortrag bezog. Sie stellte fest, dass im Cluster TraFoNetz Nordschwarzwald etwa 30.000 Beschäftigte bei Automotive-Zulieferern arbeiten, was 14 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen entspricht. „Das ist ein deutlich größerer Anteil als im Land“, hob sie hervor. Bundesweit liegt der Anteil bei fünf Prozent der Beschäftigten, Landesweit sind es etwa zehn Prozent.
Tätigkeitsabbau prognostiziert
Sylvia Stieler berichtete über Studien, die die Beschäftigungseffekte in verschiedenen Szenarien hinsichtlich der Geschwindigkeit zunehmender Elektromobilität in den Blick nehmen. „Nicht die ganze Automobilbranche ist gleichermaßen von diesem Wandel betroffen“, sagte sie und verwies auf Zulieferer von Innenausstattungen. „Der Fokus liegt auf den Zulieferern, die auf den Antriebsstrang spezialisiert sind. Wir schätzen, dass es etwa 40 Prozent der Zulieferer in Baden-Württemberg sind.“
Im baden-württembergischen Automobilcluster könnten zwischen acht und 14 Prozent der Beschäftigten durch Tätigkeitsabbau betroffen sein. Allerdings gehe gleichzeitig durch den demografischen Wandel auch das Erwerbspersonenpotential bis zum Jahr 2030 um etwa sechs Prozent zurück. „Wir befürchten nicht die große Massenarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg“, sagte sie. „Wir sehen aber das Problem, dass die Leute qualifiziert werden müssen.“
Risiko: Auslastung durch Verbrenner
Als Risiko des Automobilclusters führte sie die starke Auslastung der Unternehmen an, die noch mit der Produktion von Verbrennungsmotoren ausgelastet sind und keine Zeit haben, sich strategisch neu aufzustellen oder die Beschäftigten zur Weiterbildung zu schicken. Gleichzeitig belaste die Unternehmen der Aufbau von Elektromobilität besonders stark.
Unterstützung notwendig
Aus den Handlungsempfehlungen der Strukturstudie griff Sylvia Stieler das Thema Qualifizierungsoffensive heraus. Schätzungsweise 4.000 bis 8.500 Beschäftigte im Bereich des Trafonetzes Nordschwarzwald seien von der Transformation des Antriebsstrangs betroffen und müssten für neue Tätigkeiten qualifiziert werden. „Das ist ein Umfang, der die Unternehmen in ihren Möglichkeiten weit übersteigt. Da brauchen sie Unterstützung, beispielsweise von den Agenturen für Arbeit und von der Politik“, stellte sie fest.
Im Anschluss an den Vortrag kamen die Teilnehmer an den Info-Stationen direkt mit Vertretern der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim und der AgenturQ ins Gespräch. Bei der Agentur für Arbeit gab es vor allem Informationen über Fördermöglichkeiten im Bereich beruflicher Weiterbildung. Dabei wurde auch auf das seit April neu hinzugekommene Qualifizierungsgeld nach Paragraph 82a SGB III aufmerksam gemacht.
Die AgenturQ legte den Schwerpunkt auf die Ermittlung von Weiterbildungsbedarfen und stellte dafür entsprechende Leitfäden und Checklisten vor.
Das Transformationsnetzwerk TraFoNetz Nordschwarzwald unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) ist die größte regionale Gemeinschaftsinitiative zur kostenfreien Unterstützung der Unternehmen im Automobil- und Zuliefererbereich und ihrer Beschäftigten im Nordschwarzwald. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ziel ist es, die Transformation erfolgreich zu meistern und damit den Standort Nordschwarzwald und die Arbeitsplätze zu sichern. Über die einzelnen Branchen hinweg wird die Transformation verstanden als Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.
TraFoNetz-Partner sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere. Unterstützt wird das Projekt von einem 28 köpfigen Transformationsbeirat mit dessen Vorsitzendem Professor Dr. Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim.