Von Gerd Lache | 11.10.2024
Weitere Impulsrednerin vor rund 500 Gästen des Zulieferertages der Landesagentur „e-mobil BW“ im Neckarforum Esslingen war Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, eine der größten und einflussreichsten Gewerkschaften in Deutschland. Während beide Rednerinnen die komplexe Lage der Branche anerkennen, offenbarten ihre Ausführungen in einigen Punkten Unterschiede in den vorgeschlagenen Lösungsansätzen.
„Wir sehen uns einer harten technologischen Konkurrenz ausgesetzt, vor allem aus China, das seit vielen Jahren staatliche Unterstützung erhält“, sagte Hoffmeister-Kraut. Aber die Hauptursachen für die Schwäche der heimischen Industrie „liegen in unseren eigenen Standortfaktoren: Steuern, Abgaben, Energiepreise und Bürokratie“.
Die Ministerin forderte ein entschlossenes Umdenken in der Wirtschafts- und Steuerpolitik, um die Innovations- und Investitionsschwäche zu überwinden. Dabei sprach sie sich, ebenso wie Barbara Resch, deutlich gegen protektionistische Maßnahmen wie Strafzölle aus, die das Risiko eines Handelskonflikts erhöhen könnten und der deutschen Exportwirtschaft schaden würden. Stattdessen plädierte sie für eine umfassende Agenda 2030, die unter anderem eine Senkung der Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und Anreize zur Investition in Forschung und Entwicklung umfassen solle.
Ein weiterer Schwerpunkt der Wirtschaftsministerin lag auf der Notwendigkeit, technologieoffen zu bleiben und auf marktwirtschaftliche Prinzipien zu setzen. Einzig auf E-Mobilität zu setzen, lehnt sie ab: „Wir brauchen Innovationen und technologische Vielfalt, und es wird am Ende der Markt entscheiden, welche Technologie sich durchsetzt – nicht die Politik. Ein politisch verordnetes Ende des Verbrennungsmotors, wie es das Verbrenner-Aus 2035 vorsieht, halte ich für problematisch“, erklärte sie.
Hoffmeister-Kraut setzt auf marktwirtschaftliche Prinzipien und unternehmerische Freiräume. Barbara Resch will auch die Politik stärker in die Verantwortung nehmen. Beide Rednerinnen betonten die Bedeutung der Transformation und die Notwendigkeit, Baden-Württemberg als starken Industriestandort zu erhalten.
Die Ministerin plädierte für weniger staatliche Eingriffe und eine Entlastung der Unternehmen. Die IG-Metall-Chefin drängt die Politik auf ein „All-in“: Intelligente Kaufanreize, Ladeinfrastruktur, günstige Einheitsstrompreise, Förderprogramme für den öffentlichen Nahverkehr. Resch: „Es reicht nicht, die Lage zu analysieren und die Verantwortung allein auf die Unternehmen abzuwälzen. Es geht darum, durch entschlossenes Handeln eine echte Perspektive für die 175.800 Beschäftigten in der baden-württembergischen Zuliefererindustrie zu schaffen.“
Die Gewerkschaftsführerin stellte klar, dass sie die Elektromobilität als die überlegene Antriebstechnologie sieht und – konträr zur Wirtschaftsministerin – die Debatte um Technologieoffenheit als rückwärtsgewandt betrachtet: „E-Mobilität ist schlicht und ergreifend das überlegene Konzept, zumindest im Bereich Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Die Frage ist nicht mehr, ob wir den Übergang schaffen, sondern wie schnell und wer die Wertschöpfung kontrolliert.“ Resch kritisierte, dass staatliche Kaufanreize für E-Fahrzeuge zu abrupt gestrichen worden seien, was die Verunsicherung der Konsumenten weiter verstärke und die Nachfrage bremse.
Resch: „Wir brauchen wettbewerbsfähige Energiepreise, eine beherzte Entbürokratisierung beziehungsweise eine effizientere Verwaltung, Investitionen in Infrastruktur, die Fokussierung der Forschungsaufgaben auf Zukunftsmärkte, den raschen Ausbau der Wasserstoffversorgung sowie eine Offensive im Bereich der Aus- und Weiterbildung – um einige der zentralen Baustellen zu nennen.“
Unabhängig von einigen unterschiedlichen Lösungsansätzen teilen beide Rednerinnen die Überzeugung, dass die Zukunft der baden-württembergischen Automobilindustrie nicht einfach eine Fortsetzung der Vergangenheit sein könne. Der Wandel zur Elektromobilität und zu neuen Technologien sei unumgänglich – die Frage sei, „wie schnell und wie erfolgreich dieser Wandel vollzogen wird“. Klar sei auch: „Die Weichen müssen jetzt gestellt werden, damit Baden-Württemberg seine führende Rolle in der Automobilwirtschaft auch in Zukunft behält.“
Svea Taube und Matthias Friedrich, Projektmanager des Transformationsnetzwerks (TraFoNetz) Nordschwarzwald, sehen die bisherige Arbeit des Förderprojekts durch die Lösungsansätze von Hoffmeister-Kraut und Resch bestätigt. So unterstütze das Transformationsnetzwerk bei der Innovationsförderung, es gebe Support bei der Strategieentwicklung und dem erschließen neuer Geschäftsfelder und vermittle diverse Weiterbildungsangebote, die auf die neuen Erfordernisse abgestimmt seien.
Auch der Impuls für die Unternehmensvertreter beim Zulieferertag, sich nicht ausschließlich von Automotive-Abnehmern abhängig zu machen, wird vom Kompetenz-Team des Transformationsnetzwerks seit langem unterstützt. Stichworte für neuen Märkte seien: Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt sowie die Verteidigungsindustrie. Zu diesen Themen seien bei TraFoNetz diverse Workshops für die Unternehmen im Nordschwarzwald in Planung.
Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald
TrafoNetz unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald ist ein Netzwerk für Transformation und Innovation, das Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringt. Ziel ist es, die Region Nordschwarzwald zu einem führenden Standort für innovative Unternehmen und zukunftsfähige Technologien zu machen. Partner des Transformationsnetzwerks Nordschwarzwald sind unter anderem die Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, die Hochschule Pforzheim, die AgenturQ mit Südwestmetall und IG Metall, die IHK Nordschwarzwald, die Handwerkskammern Karlsruhe und Reutlingen, e-mobil BW, IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Steinbeis InnoBW, wvib Wirtschaftsverband und weitere.